Freitag, 25. Juni 2010

Die Abstimmung über die Hallenerweiterung

Gestern haben wir die Demokratie benutzt. Da gings darum, ob wir die Pläne für einen Sporthallenanbau weiter verfolgen sollen, oder ob wirs schaffen das Bauvorhaben schlecht zu machen, wobei man da an früher denken könnte, an die Geschichte mit Pilatus, Jesus und dem Volk. Man könnte ja denken, dass ein Hallenanbau sinnvoll wäre, wenn man im Tischtennissport schon zweimal für die beste Jugendarbeit in Oberfranken ausgezeichnet wurde und den Nachwuchs aber aus Platzmangel an den Platten übereinander stapeln müsste. Wir haben auch ein Mädchenteam, das die beste Mannschaft in Bayern ist, die spielen jetzt Damen, aber egal, es geht darum zu zeigen, dass unsere sportlichen Erfolge ganz groß sind, unsere Räumlichkeiten aber nicht.
Aber der Anbau ist ja nicht nur für Tischtennis, der ist auch für die Theatermenschen und die Volleyballmenschen und für ganz viele andere Aktivitäten.
Egal jetzt, wir haben also die Demokratie benutzt, die Demokratie in Abstimmungsform. Unser Vorstand hat das alles gut erklärt, warum wir die Halle brauchen und warum wir, wir, das sind die Mitglieder, die dafür in Brigittes Gaststätte gekommen sind, abstimmen. Und wer Skepsis hat, solle doch jetzt sprechen, und wenn nicht… ja genau, für immer die Gusche halten. Dann wars erst ruhig, bis sich ein Mädchen getraut hat und ein Loch in die Ruhe gefragt hat. Ob der Verein jetzt bei dem knappen Finanzierungsplan an allen anderen Ecken sparen müsse, sie will nämlich schon sehr gerne neue Volleybälle haben und um die hat sie nun Angst. Den Einwand fanden viele süß-akzeptabel, aber nicht Diskussions-akzeptabel; dem Mädchen wurde versichert, dass sie auf die neuen Bälle nicht verzichten müsse. Jetzt wagten sich aber mehr nach vorne, die Fraktion der Fußballer zum Beispiel, die durch eine Handvoll Spieler vertreten war, merkte an, dass ihre neuen Umkleidekabinen und Duschraum im Finanzierungsplan nur bis Rohbaustand enthalten sind.
Warum sollen sie den jetzt den Rest in Eigenleistung machen, wenn die Tischtennismenschen nicht mal mitgeholfen haben den Vorplatz zu pflastern, oder nur einer. Das müsste man jetzt nicht machen, aufzählen wer wo nicht mitgeholfen hat, aber man müsste mal beachten, dass nur die Tischtennismenschen eine Spendenmenge in der Höhe von ungefähr 7000Euro gesammelt haben und die Fußballer noch keinen Cent und wenn die Fußballer nur annähernd eine so große Summe sammeln würden, wäre ihr Umkleidekabinen – und Duschraumausbau überhaupt kein Problem, kam dann die Antwort von Sebastian.
Es ging dann noch ein bisschen hin und her und die Einwände gegen die Erweiterung waren teilweise vom Niveau her so niedrig wie die Klasse in der die Fußballer spielen. So hoch spielen die nämlich nicht.
Es gab dann noch viele einzelne Äußerungen und immer wenn einer was gesagt hat und man ihn angeschaut hat, dann hat derjenige einen immer so fokusiert und darauf gewartet, dass man ihm durch Nicken zeigt, man ist ja auf seiner Seite und dass das gerade voll gut war, dass er das gesagt hat und so.
Dann kams zur Abstimmung. Unser Vorstand hat uns gefragt ob wir für die freie Abstimmung seien (da hebt man die Hand wenn man dafür ist und jeder sieht wie der andere stimmt), oder ob wir geheim entscheiden wollen (da muss man dann entweder Ja oder Nein auf einen Zettel schreiben, ein Vielleicht gibt’s nicht, das gibt’s nur wenn ein junger Mensch einen anderen jungen Menschen fragt ob der mit ihm gehen will)
Wer nun für die freie Abstimmung ist, der soll nun die Hand heben, sagt dann der Vorstand. Wir stimmen also frei ab ob wir dann die richtige Abstimmung frei, oder geheim durchführen wollen. Genau das sag ich Julian, meinem Sitznachbarn, und füge hinzu, dass wir die Abstimmung über die Form der Abstimmung doch auch geheim durchführen könnten. Also müsse man eine Abstimmung über die Form der Abstimmung über die Form der richtigen Abstimmung machen. Das finde ich lustig, wie das ewig so weiter gehen könnte. Fast alle entscheiden sich für die freie Abstimmungsform und die wird auch gleich durchgeführt und wir erfahren, dass 84 Anwesende mit Ja- und 4 mit Nein stimmen. 3 haben sich enthalten. Während die erhobenen Hände gezählt werden, sagt Jemand öfters laut zu einem Fußballer, dass er seine Hand hoch tun solle, der antwortet aber etwas unsicher, dass er mit seinem Gewissen abstimmen müsse. Der Mann äußert dann ebenfalls noch laut, dass er sich alle „Gsichter“ merken werde, die mit Nein stimmen. Die sind übrigens schwer auszumachen, aber die Jasager weisen hilfsbereit daraufhin, wo noch einer sitzt, der dagegen ist. Die Ja-Leute wollen nämlich zeigen, dass sie die Neinsager demokratisch respektieren, oder sie wollen die Neinsager ins für sie so und so schon unangenehme Rampenlicht schubsen, dass wäre dann moralisch eher nicht so nett.
Super gelaufen, denk ich, jetzt müssen die Pläne nicht ad acta gelegt werden. Da haben wir wohl alle gut argumentiert. Auch Juliane, die ist selber Tischtennisspielerin und Jungtrainerin und putzig, und sie hat zuvor eine Rede gehalten und ganz viele Argumente angeführt, warum wir unbedingt eine neue Halle brauchen. Dafür hat sie extra ein Rhetorikseminar mitgemacht, in Altenstein. Hat sich gelohnt, hat sich nämlich gut angehört. Da gabs schon ganz andere Aussagen an dem Abend. Die meisten waren schon gut gemeint, nur eben mit ganz schön viel Drama aufgepumpt: Man müsse den Hallenanbau unbedingt machen, um die Jugendlichen weiterhin von der Straße zu holen.
Ja, das haben wir bisher so erfolgreich gemacht, sinniere ich, dass es oberstes Ziel ist, dies in Zukunft, dank mehr Räumlichkeit, noch besser zu ermöglichen. Dank uns dealen ja viel weniger Jugendliche auf Unterlauters Straßen mit Koks. Vor unseren social streetwork Einsätzen sah das noch ganz anders aus.
Eine andere Aussage ist mir auch aufgefallen, die ging ungefähr so: Man müsse mal an andere Dinge wie Tischtennis denken, auch mal.
Als der Mann das sagt, lächle ich um allen zu zeigen, dass mir die Doppelung in seinem Satz aufgefallen ist und dass ich das sprachlich ganz schlecht find und so. Juliane, nimm ihn das nächste mal mit, denk ich.

5 Kommentare:

  1. Der gewünschte Kommentar: toller Text - hab ich sogar extra nochmal durchgelesen ;)
    Du kannst dich sehr gut in kindliche Gedanken reinversetzen! :D
    Hast du gut gemacht. :)

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  2. Dank der Abstimmungs-Sitzung über die Hallenerweiterung drehte sich meine Lebensuhr um gefühlte 25 Jahre zurück: Willkommen im Kindergarten Kunterbunt (Igelgruppe). Noch nie zuvor hatte ich an einer so niveaulosen Sitzung teilgenommen. Aber wenigstens, u. da muss ich dem Verfasser recht geben, gelingt es uns Streetworkern die Kinder von der Straße zu holen. Dennoch bin ich froh, dass die Abstimmung mit über 80 JA-Stimmen, ohne blutige Fights u. ohne die bekannten 10 % Verlust, zu Ende ging u. wir unsere 'Tischtennis-Halle' :))) bauen können.

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  3. Lieber Philip,

    veranlasst durch das gestrige Treffen, zündete ich deine architektonische Rakete und landete auf einem unbekannten Ort voller wohlformulierter Worte.

    Deshalb füge ich nun ernstgemeine hinzu:

    Warum Raketen bauen, wenn man mit dem geschrieben Wort so viel mehr Mensch bewegen kann? Philip du bist der Meister der Worte zwischen den Zeilen. Der Perlensucher des Fingerspitzengefühls. Gerne hätte ich deine Klasse, aber werde es vergebens versuchen.

    Ich werde in einem Jahr wieder in der Gasse stehen, wo es nach ausgedrückten Limetten und vergossenem Alkohol riecht.

    In der Hoffnung auf ein ähnliches Treffen ...

    Karl von der Eiche

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  4. Lieber Karl von der Eiche,

    sehnlichst bitte ich dich darum, dein Prosa-Licht unter dem Scheffel deiner Selbstzweifel hervor zu ziehen.
    Du kannst nicht behaupten nicht in meiner Klasse zu spielen und dann so einen wunderschönen Kommentar aus dem Ärmel schütteln (Angeber)
    Ich zitiere dich:"Ich werde in einem Jahr wieder in der Gasse stehen, wo es nach ausgedrückten Limetten und vergossenem Alkohol riecht."
    Wie hast du es geschafft in deine morbide anmutende Beschreibung des gestrigen Szenarios, dennoch so viel Poesie einzuhauchen?

    Karl, ich werde deine brennenden Wort nicht vergessen und spätestens dann bei dir sein, wenn du in einem Jahr wieder die besagte Gasse aufsuchst.

    Bis dahin (oder bis zu einem früheren Treffen, vielleicht in Innsbruck) erfreue bitte weiterhin alle weltweit verteilten Leser dieses Blogs mit deinen hemingwayesken Kommentaren.

    Herzliche Grüße, auch an deine verehrte hübsche Dame

    Braunbär am Honigglas

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  5. schluß mit dem geschleime! Beweg deinen Arsch nach Innsbruck ... dann wird mal richtig ausgegangen und angeln dir eine Österreicherin, so wie in deinen guten alten Zeiten ... ;)

    Karl

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